Carla
Was ist eine PTBS?
Aktualisiert: 30. Sept. 2020

Eine posttraumatische Belastungsstörung, kurz PTBS, ist eine komplexe Erkrankung, die im Zusammenhang mit einem erlebten Trauma auftritt. Typische Traumata sind beispielsweise Unfälle, physische oder sexuelle Gewalt, Kriegserlebnisse oder (wie auch in meinem Fall) Vergewaltigungen. Aber auch der Verlust eines nahestehenden Menschen oder plötzliche Änderungen der persönlichen Lebensumstände können eine solche Belastungsstörung hervorrufen.
Es muss nicht immer eine PTBS auf Grund eines Traumas erfolgen, die Inzidenz liegt bei ungefähr 10%. Gerade bei durch Menschen ausgelöste Traumata erkranken aber bis zu einem Drittel der Betroffenen an einer PTBS.
Gekennzeichnet ist eine solche meist durch das ständig wiederkehrende Erleben der Situation in Form sogenannter Flashbacks; oftmals kommt es auch zu Alpträumen. Die Betroffenen erleben dann alle Gefühle, die sie in der traumatisierenden Situation auch wahrgenommen haben, wieder und wieder.
Ausgelöst werden diese Flashbacks durch verschiedene Trigger, die den Betroffenen wieder in die Situation versetzen. Dies können Geräusche, Gerüche, Berührungen oder visuelle Reize sein. Häufig reichen hier schon Dinge, die nur sehr entfernt an das Trauma erinnern, damit der Erkrankte wieder in die Situation versetzt wird - gelähmt und unfähig zu handeln.
Parallel dazu kommt es recht häufig zu verschiedenen Verdrängungsmechanismen, emotionaler Abstumpfung oder Gleichgültigkeit und der Vermeidung triggernder Situationen und Momente.
Auch ich habe eine solche posttraumatische Belastungsstörung, die mein Leben sehr einschränkt. Nachdem ich vergewaltigt wurde und die Schwangerschaft und deren Abbruch überlebt hatte, fühlte ich praktisch nichts mehr außer Angst, Panik, Trauer, Hass und Schmerz. Es war mir schier unmöglich, weiterhin Spaß am Leben zu haben, an mich und meine Träume zu glauben oder Nähe und Liebe anzunehmen. Ich versuchte, die Erfahrungen weit von mir zu schieben - und das hat eine ganze Zeit lang auch gar nicht mal so schlecht geklappt. Doch je länger ich alles verdrängte, desto stärker wurden die Flashbacks, die Alpträume und die Belastung. Mittlerweile triggert mich fast alles, sodass ein erfülltes Leben nicht möglich ist. Kleinste Berührungen, Blicke oder Gerüche bringen mich wieder in genau die Situation zurück, in der ich um mein Leben bangen musste.
Durch die Schwere meiner PTBS habe ich zusätzlich dissoziative Krampfanfälle entwickelt. Dabei bin ich in der Situation gefangen und praktisch abwesend. Ich bekomme nicht mehr mit, was im realen Leben um mich herum geschieht und starre entweder in die Luft oder schließe meine Augen. Und dann fange ich an zu krampfen. Meist beginnt es mit einem leichten Zittern der Extremitäten, sodass geübte Personen diese erkennen und mich zu beruhigen versuchen. Dann wird dieses Zittern immer heftiger bis ich schließlich mit dem ganzen Körper krampfe. Aus einem solchen dissoziativen Zustand und Krampf bin ich mittlerweile nicht mehr wirklich heraus zu holen. Manchmal wirken ganz starke Schmerzreize oder sehr intensive Gerüche, meistens warten aber alle Beteiligten ab. Irgendwann komme ich schon wieder zu mir - im besten Falle.
Wir hatten allerdings auch schon die Situation, dass mein Verlobter einen Rettungswagen mit Notarzt rufen musste. Auch diese haben mich nicht aus meinem Zustand herausbekommen - ich war schlicht und einfach in ein sehr tiefes Koma gefallen. Das tiefste messbare Koma. Auch diverse gespritzte Medikamente brachten nichts und meine Atmung versagte immer mehr. Deshalb blieb der Notärztin nichts anderes übrig, als mich zu intubieren und so eine künstliche Beatmung zu gewährleisten. Auf der Intensivstation bin ich kurz aufgewacht, nachdem ich auch im Koma liegend noch über Stunden gekrampft hatte. Dieser Aufenthalt war allerdings massiv retraumatisierend, sodass meine PTBS noch schlimmer wurde. Sie brachten mich dann auf eine neurologische Intensivstation, damit ich die Hilfe bekommen konnte, die ich in dem Fall bitter nötig hatte.
Solche Situationen zeigen eindrücklich, wie gefährlich eine doch oftmals leichtfertig abgefertigte Belastungssörung sein kann. Wäre mein Verlobter nicht bei mir gewesen, hätte niemand den lebensgefährlichen Zustand mitbekommen. Wahrscheinlich würde ich heute dann nicht mehr unter den Lebenden weilen.
Gleichzeitig wird sichtbar, dass eine PTBS auch die Angehörigen Erkrankter massiv belastet, da es jederzeit zu einer nicht mehr zu überblickenden Situation kommen kann. Damit diese immer weniger werden, erlernen Betroffene bestimmte Fähigkeiten (sog. Skills), um die Dissoziationen rechtzeitig bekämpfen zu können. Typische Skills sind etwa bestimmte Bewegungen, leichte Schmerzreize oder heiße oder kalte Duschen. Auch vertraute, im Unterbewusstsein verankerte, Stimmen oder Melodien können helfen, die Dissoziation zu beenden.
Ich bekomme mittlerweile verschiedene starke Medikamente, um die Symptome etwas zu lindern. Dennoch krampfe ich durchschnittlich zwischen zehn und 18 Stunden täglich und falle auch weiterhin in tiefe Komazustände. Ohne Medikamente kann ich keine Sekunde schlafen; auch mit ihnen schlafe ich aber mehr schlecht als recht. Ich werde von Alpträumen verfolgt und kann nicht ein- oder durchschlafen. Wie mein Leben ohne diese Medikamente aussehen würde, mag ich mir nicht vorstellen. Zusätzlich werde ich mit Traumatherapie beginnen, sobald ich durch die Medikation stabil genug dafür bin. In dieser werde ich mühsam versuchen, die Erlebnisse aufzuarbeiten, damit mein Leben nicht mehr ganz so von ihnen bestimmt werden.
Äußerlich sieht man mir diese Erkrankung nicht an. Und ich habe es auch sehr lange geschafft, immer so zu tun, als sei alles in Ordnung. Doch in meinem Körper lebt nicht mehr das fröhliche, immer lachende kleine Mädchen, das an sich und seine Zukunft glaubt. Das glaubt, alles schaffen zu können. In mir lebt jetzt eine sehr zerbrochene und wahnsinnig zarte junge Frau, die verzweifelt um ihr Überleben kämpft. Die versucht, irgendwie weiterzumachen und eigentlich noch gar nicht aufgeben möchte. Die aber auch nicht mehr viel Kraft für diesen schier aussichtslosen Kampf hat.
All das sieht man in meinem Blick auf dem obigen Bild. Eine starke und gleichzeitig doch so zerbrechliche junge Frau. Ein Blick voll Leid, Schmerz und Trauer und dennoch sind ein kleiner Funken Hoffnung und dieser wahsinnig willensstarke Kampfgeist ersichtlich.